Die Content Marketing Revolution ist ja voll im Gange. Jeder kennt die Parolen, und die Pro- und Contra-Argumente schwirren durch die Gazetten und Blogs. Jetzt kommt die Evolution, die Arbeit, der Aufbau funktionierender Strukturen.
Was hier nach einem Zitat von Klaus Eck oder Doris Eichmeier klingt, ist eine Aussage von Harald Gasper, seines Zeichens Director Content Marketing bei der Serviceplan Group.
Die Aussage ist jedoch kein Beitrag zur aktuellen W&V-Debatte zwischen Agenturvertretern und „echten Meinungsführern“, sondern entstand in einem Gespräch im Vorfeld der CMCX, die wir beide als Speaker besuchen werden.
Ich höre mir Vorträge von Agenturvertretern sehr kritisch an, denn häufig verbirgt sich dahinter mehr eine Pitch-Präsentation, als ein wirklicher Mehrwert zur Diskussion um Content Marketing. Ob das auch diesmal wieder so sein wird, werde ich hinterher berichten. :-)
Bei Harald habe ich allerdings das Gefühl, dass er offen ist für den Dialog und seine Erfahrung gerne teilt, um dadurch die Branche weiterzuentwickeln.
In einem wahrscheinlich eher ungewöhnlich „provokativen“ Dialog ergänzt er meine Gedanken zur aktuellen Situation und insbesondere in Hinblick auf die Messe in München.
Im Interview mit Harald Gasper

Harald liebt Comics (und kuratiert sich auf seinem Pinterest-Board „Comic Kultur“), hat im Alter von 12 Jahren am Rosenmontagszug in seiner Heimatstadt teilgenommen, mag keinen Cat Content und bezeichnet Inbound Marketing als Türöffner, nicht als Störenfried.
Zu allererst interessierte mich natürlich Haralds Meinung zum aktuellen Stand sowie seine Definition von Content Marketing:
Content Marketing ist Kommunikation, die den Zuhörer nicht einfach unterbricht, sondern die angefragt wird. Die den Käufer intelligenter macht. Die tendenziell keine Medien „mietet“, sondern eigene Medien aufbaut. Und die letztlich darauf vertraut, dass der Kunde diese Art der Kommunikation mit Loyalität belohnt.
Harald ist Director Content Marketing bei der Serviceplan Group, doch ich frage mich – naja, genau genommen habe ich ihn das gefragt – welche Aussagekraft eine solche Bezeichnung überhaupt hat, wenn die Vergleichbarkeit mangels einheitlicher Definition allgemein schwierig ist?
Ich war fast zehn Jahre Creative Director bei Jung von Matt, danach sechs Jahre Geschäftsführer Kreation bei der Serviceplan Content Hamburg. Jetzt arbeite ich im Auftrag der Serviceplan Group standortübergreifend für meine Kolleginnen und Kollegen in München, Hamburg und Berlin. Weil Content Marketing nicht mehr in einer einzigen Unit Platz hat und – wie gesagt – Integration unser Thema Nummer 1 ist. Welcher Titel diese Arbeit am besten trifft... da frage ich mal die anderen Content-Nerds in München!
Die Agenda sieht hinsichtlich möglicher Dialoge vielversprechend aus: Neben den üblichen Verdächtigen wie Klaus Eck, Mirko Lange oder auch Fionn Kientzler (der erst kürzlich mit seinem Gastartikel über Content Seeding hier im Blog debütierte) sind mit Babak Zand und mir auch ein paar Vertreter der „nächsten“ Generation dabei. Babak Zand spricht über seine Bachelorarbeit (hier erhältst du einen kleinen Vorgeschmack), ich über Content Design.
Was mir allerdings nicht so gut gefällt – und damit beziehe ich mich nicht explizit auf die CMCX – ist, dass häufig sehr viele Agenturvertreter auf der Bühne stehen. Warum? Die „besseren“ Speaker sind sie nicht zwangsläufig und auch der Content, den sie mitbringen, ist nicht immer neu oder besser als anderer.
Ist Bowie besser als Beethoven? Es geht um was anderes: Content Marketing braucht einen großen runden Tisch. An dem müssen Marken-Experten sitzen, Kreative, strategische Planner, Social Media Cracks, Daten-Gurus und welche Köpfe sonst noch verlangt werden – je nach Budget und Briefing. Da geht es nicht um schlechter oder besser, sondern um schlechter oder besser integriert. Sowohl bei Serviceplan als auch bei unseren Kunden, z.B. bei BMW, ist die Zusammenarbeit die größte Herausforderung.
Eine Herausforderung, die Harald gerne annimmt, denn er steht nicht allein auf der Bühne. Zusammen mit Stefan Karch (BMW) spricht er über die Steuerung von Content Marketing Prozessen …
Mit der Marke BMW arbeite ich seit dem Jahr 2000 schon zusammen, immer wieder und immer wieder in anderen Konstellationen. Herr Karch verantwortet aktuell die Internationale BMW Verkaufsliteratur und leitet ganz neue Prozesse ein: Wie können Inhalte noch modularer erstellt werden, ohne dass der Blick fürs Ganze verloren geht? Wie weit kann man Märkten von den USA bis China gerecht werden, ohne die Marke zu verwässern? Wie löst man die internen Silos auf? … Wir geben beide einen Einblick in die Küche, aber das fertige Fünf-Sterne-Menü ist noch nicht auf dem Tisch. Dafür ist Content Marketing eine zu junge Disziplin.
Ist Content Marketing tatsächlich so jung?
Ich habe letztens an einer Umfrage meines geschätzten Kollegen Bert van Loon aus Rotterdam teilgenommen. Er hat sogar für mehrere mitteleuropäische Staaten den Entwicklungsstand abgefragt. Und die meisten waren meiner Meinung: Auf einer fünfstufigen Skala bewegen sich Italien und Frankreich auf dem Novizen-Niveau. Wir haben in Deutschland, leicht vor den Skandinaviern und gleichauf mit den Niederländern, mehrheitlich die zweite Practitioner-Ebene erreicht. Führend ist UK, das schon durchgehend das dritte Level erreicht hat.
Da stellt sich mir natürlich die Frage: Was hat Großbritannien Deutschland voraus?
Ich werde dieser Frage nachgehen ...
Indes interessiert es mich, welche Erfahrung ein Marketing Director besitzt und wie er diese in seine praktische Arbeit einfließen lässt. Gibt es vielleicht doch ein „Erfolgsrezept“ für Content Marketing? Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
Erstens: Educated guessing. Also der Mut, ein Modell anzunehmen, das noch nicht zu 100% bewiesen ist, das aber die Arbeit erleichtert. Mein Professor an der Universität der Künste sagte immer: „Nix gegen hinkende Beispiele – was hinkt, das geht!“
Zweitens: Integration. Den Schlaumeier, der alles in einer Person vereint, will ich sehen. Wir brauchen große runde Tische für große runde Content Marketing Programme. Allein die Annäherung von Journalisten und Marketing-Leuten ist doch schon spannend.
Drittens: Lernen. Wir werden noch ziemlich oft daneben liegen, bis der Gold Standard definiert ist. Selbst so Vorzeige-Cases wie Open Forum haben Jahre gebraucht, bis sie wirklich rund liefen.
Lernen ist auch mein Credo, doch die Methoden sind mannigfaltig. Learning by doing scheint in dieser Branche einer der beliebtesten Ansätze zu sein. Brauchen wir denn überhaupt eine Karte, bevor wir das Boot aus dem Hafen steuern (um es mit Haralds Worten zu formulieren), oder führt Trial-and-Error genauso sicher – und schnell – zum Erfolg?
Wenn ich mir die Vorträge (und letztendlich die "tägliche" Arbeit) von Leuten wie Mirko Lange, Olaf Kopp oder auch Harald anschaue, dann erahne ich schon, wie die Antwort ausfällt. Denn sie alle stellen ihre ganz eigenen Modelle vor.
Ich arbeite ja ebenfalls an einem praktischen Modell, meinem Content Polygon.
Am Ende gibt es mehrere Karten, mehrere Wege und mehrere Ziele.
Und gerade deswegen sage ich an dieser Stelle herzlichen Dank lieber Harald und überlasse ihm das letzte Wort mit seiner Antwort auf die Frage, ob er ein Ziel vor Augen hat (und wenn ja, welches):
Ja, den Weg dahin genauso schön werden zu lassen.