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Robert Weller
Gründer von toushenne.de, Buchautor und Dozent für Content Marketing.

Wie wir mit Mental Models schneller, einfacher und bessere Entscheidungen treffen

Lesezeit Icon 9 min
Leadership & Management
Mental Models im Content Marketing

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„Sicherlich einer der inhaltlich wertvollsten Newsletter, die ich bisher erhalten habe.“

Andreas Hoffmann
Head of Marketing @ OmniCult

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Mental Models sind Denkmuster, die wir entwickeln bzw. adaptieren, um die Welt um uns herum zu verstehen. Sie sind eine Art Vereinfachung oder Abstraktion der Realität und helfen uns, Informationen zu organisieren und zu verarbeiten. Sie beeinflussen, wie wir denken, Entscheidungen treffen und Probleme angehen.

Indem wir uns bewusst machen, welche mentalen Modelle wir verwenden, können wir unsere Denkprozesse verbessern und neue Perspektiven gewinnen.

Im Content Marketing, insbesondere bei der Content-Erstellung, können wir mentale Modelle nutzen, um Ideen zu generieren, Inhalte zu strukturieren oder die Kernaussagen noch besser (ergo leichter verständlich) zu kommunizieren.

Lies weiter, um zu erfahren, wie genau das aussieht und welche Denkmuster ich bei meiner Arbeit nutze (eine Übersicht findest du am Ende des Artikels).

First Principles und Root Cause

Über First Principle Thinking hab ich bereits ausführlich geschrieben (siehe hier) und in dem Zusammenhang die Five-Why-Methode zur Fehler-Ursachen-Analyse vorgestellt. Ich nutze dieses Modell, um schnell einzuschätzen, auf vielen Annahmen eine Entscheidung basiert – je weniger, desto besser.

Ein weiteres, nützliches Prinzip bzw. Vorgehen ist die Root Cause Analysis (RCA). Erstmals wirklich angewendet habe ich sie nach meinem Kurs an der Harvard Business School (HBS), um ein gegebenes Problem zu verstehen. Seitdem greife ich immer wieder darauf zurück, um Kausalketten zu visualisieren. Der Prozess dafür ist relativ simpel – und wir können stets selbst entscheiden, wie weit wir jedes Mal gehen wollen:

  1. Das Problem anhand von Symptomen und konkreten Beobachtungen beschreiben. Zum Beispiel: „Der organische Traffic sinkt“ (Symptom) und „Ich habe in den letzten Monaten weniger publiziert als sonst“ (Beobachtung).

  2. Daten erheben, um das Problem als solches zu bestätigen. Wie lange existiert dieses Problem schon? Welche Auswirkungen hat das konkret? Ergo: „Seit wann sinkt der Traffic?“ und „Um wie viel Prozent ist der Traffic gesunken“ und „Welche Konsequenzen hat der Traffic-Rückgang?“.

  3. Mögliche Ursachen identifizieren, indem wir uns Fragen wie „Welche Ergebnisse haben dazu geführt, dass …?“, „Unter welchen Umständen tritt das Problem auf?“ oder „Welche anderen Probleme tauchen im selben Kontext auf?“ stellen. An dieser Stelle kommen unter anderem die Five-Why zum Einsatz, Alternativen sind Ishikawa-Diagramme (auch Fishbone bzw. Ursache-Wirkungs-Diagramm bekannt) oder Drilldowns.

  4. Die Root Cause(s) identifizieren. Durch die verschiedenen Analysemethoden erkennen wir, dass diverse Probleme oft dieselbe Ursache haben – das ist unsere Hauptursache. In der Übung im Zuge meines HBS-Kurses stellte sich bspw. heraus, dass die Ursache des Problems bzw. der Herausforderungen, dass wir weniger publizieren, als wir eigentlich könnten (und sollten), die Unsicherheit meiner Kolleg:innen mit Blick auf das Schreiben von Blogartikeln war. Das ist ein ganz anderer Grund als etwa Schwierigkeiten bei der Themenfindung, Tools oder Prozessen – und erforderte entsprechend eine ganz andere Lösung (Gespräche, Coaching, Feedback).

  5. Lösungsalternativen definieren, die das Problem beseitigen, aber auch verhindern, dass es künftig wieder auftritt – inklusive der Benennung von Verantwortlichen („Wer ist für die Umsetzung verantwortlich?“) und Abwägen möglicher Risiken (in meinem Beispiel etwa Zeitinvestment und Abhängigkeiten).

Das Hicksche Gesetz und der Umgang mit zu vielen Alternativen

Das Hicksche Gesetz besagt, dass wir umso länger für eine Entscheidung brauchen, je mehr Alternativen wir haben. Und das kommt in einer Zeit des Information Overloads und Entscheidungsmüdigkeit leider häufiger vor. Ich finde mich immer häufiger in einer Analyse-Paralyse (das ist der umgangssprachliche Ausdruck für das Gefühl, keine Entscheidung treffen zu können, weil man zu viel über ein Problem nachdenkt) wieder, von der ich mich erstmal aktiv befreien muss.

Dabei hilft mir vor allem eine Heuristik namens Satisficing, die als Kofferwort die englischen Begriffe „satisfying“ und „suffice“ in ihrer Bedeutung kombiniert: ausreichend befriedigend. Oder: Wenn gut, gut genug ist. Satisficing beschreibt dabei ein Verhalten, bei dem in einer Entscheidungssituation die erstbeste Möglichkeit gewählt wird, die den angestrebten Zweck erfüllt.

Ähnlich funktioniert Occam’s Razor: Das Modell besagt, dass die einfachste Lösung meist die richtige/beste ist. Mit anderen Worten: Wir sollten es vermeiden, nach übermäßig komplexen Lösungen für ein Problem zu suchen, und uns darauf konzentrieren, was unter den gegebenen Umständen funktioniert.

Das Pareto-Prinzip und Gesetz des abnehmenden Grenznutzens

Ähnlich funktionieren das Pareto-Prinzip, auf Basis dessen wir zufriedenstellende Ergebnisse (80 Prozent Zielerreichung) mit minimalem Aufwand (20 Prozent) zu erreichen versuchen sowie das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens. Ja, letzteres hab ich schon während meines BWL-Studiums an der Uni kennengelernt … wer hätte gedacht, wie nützlich das mal sein wird?! Es besagt, dass der zusätzliche Nutzen (Gewinn) ab einem gewissen Punkt (im Englischen der „point of diminishing returns“) in keinem positiven Verhältnis zum notwendigen Investment mehr steht.

Heißt: ab hier lohnt es sich mit Blick auf das verbleibende Potenzial nicht mehr, zusätzliche Zeit, Geld oder andere Ressourcen zu investieren.

Ryan Law (ex Animalz CMO) spricht davon in seinem Artikel als „Quality Cliff“ (siehe Abbildung unten), was ich im Kontext von Content für sehr treffend halte, es aber grundsätzlich nicht auf die Qualität beschränken würde. „Genug“ ist ebenso ein Ausdruck für die Quantität.

The Quality Cliff (Animalz)
The Quality Cliff von Animalz beschreibt das Prinzip des abnehmenden Grenznutzens mit Blick auf den Content ROI

Parkinsonsche und Hofstadters Gesetze zur benötigten Zeit

Parkinson’s Law besagt, dass die verfügbare Zeit (und auch andere Ressourcen wie Geld) für eine Aufgabe immer ausgeschöpft wird. Heißt: Wir sind nie früher fertig, obwohl wir es eigentlich sein könnten bzw. bezahlen immer den Preis, den wir uns noch leisten können.

Einerseits ist es sinnvoll, sich für bestimmte Aufgaben mehr Zeit zu nehmen, denn zwei weitere Gesetze üben stets Einfluss aus:

  1. Hofstadters Gesetz: Es dauert immer länger.
  2. Murphys Gesetz: Wenn etwas schiefgehen kann, dann wird es auch schiefgehen.

Andererseits ist die Gefahr, Zeit zu verschwenden, umso höher, je mehr Zeit wir zur Verfügung haben.

Kurve des Parkinsonschen Gesetz
Das Parkinsonsche Gesetz bildet den Aufwand in Relation zur Zeit ab: mehr Zeit ist nicht gut, zu wenig aber auch nicht optimal.

Ich helfe mir hierbei durch zwei Prinzipien:

  • Timeboxing, also die Limitierung des Zeitbudgets, das ich bereit bin, in eine Aufgabe zu investieren. Wenn ich von vornherein nicht gut abschätzen kann, wie viel Aufwand wirklich nötig ist, dann fange ich oft mit einem Pomodoro-Zeitfenster (25 Minuten) an, um ein besseres Gefühl zu entwickeln. Danach kann ich mein Zeitbudget und bestenfalls auch eine passende Deadline festlegen.

  • MVP (Minimal Viable Product), also der kleinstmöglichen funktionalen Lösung – die oft schon durch die Anwendung von Occam’s Razor ersichtlich wird. Der Mehrwert besteht darin, dass wir mit wenig Aufwand unsere Annahmen im realen Umfeld (!) testen können.

Ein Beispiel aus meiner eigenen Arbeit: die „Content Masterclass Beta“ als MVP

Ausgangspunkt war meine Überlegung, ob ich meine Vorlesung von der FH als eigenständiges Produkt vermarkten kann.

Um diese Frage zu beantworten, hätte ich das Unterrichtsmaterial zunächst in einen „klassischen“ Onlinekurs gießen und dann via Landingpage, E-Mail-Liste und ordentlich Werbung vermarkten können – um dann zu sehen (messen), ob Leute kaufen oder nicht.

Das hätte schiefgehen können! Was, wenn niemand kauft? Dann hätte ich ziemlich viel Zeit investiert und wüsste trotzdem nicht, ob es am Inhalt, am Preis oder an der Bewerbung liegt.

Ich habe mich deshalb für einen anderen Weg entschieden, denn im Kern wollte ich erstmal nur eines wissen:

Sind Menschen (und wenn ja, welche) bereit, für das, was ich an der FH lehre, Geld zu bezahlen?

Mein MVP zur Beantwortung dieser Frage war also ein einfacher LinkedIn Post (plus ein paar Folgegespräche):

Das Ergebnis: Ja, Menschen sind bereit dafür zu bezahlen – und zwar deutlich mehr, als ich vermutet hatte.

Der nächste MVP war demzufolge dann tatsächlich ein Mix aus Onlinekurs via Lernplattform und Live-Sessions – aber eben immer noch sehr nah an dem, was ich für die FH mache (also unter anderem auch auf Englisch).

Sowas Unfertiges zu verkaufen fühlt sich erstmal nicht unbedingt gut an, aber der Wert für die Teilnehmenden entsteht nicht nur durch eine gute Kursstruktur, schöne Videos oder viel Content.

Der Nutzen entsteht – um bei meinem Beispiel der Content Masterclass zu bleiben – durch den Austausch untereinander, die praktische Anwendung der Theorie, dem Feedback in den Live-Sessions und den neuen Impulsen, die sie erhalten.

Wie sagte LinkedIn Gründer Reid Hoffman so schön:

„If you’re not embarrassed by the first version of your product, you’ve launched too late.“

Ich lass’ das einfach mal so stehen. ;-)

Weitere Gedanken zum Thema „früh publizieren“ hatte ich auch in diesem Artikel geteilt.

 

PS: Meld dich gern bei mir, falls du Interesse an der Content Masterclass hast, ich bereite gerade den offiziellen Launch vor!

Wenn Entscheidungen unwiderruflich sind, oder auch nicht

Abschließen will ich diese Sammlung an Mental Models mit den folgenden drei, die ich gern schon früher in meinem Repertoire gehabt hätte:

  1. Reversible versus irreversible Entscheidung

    Bei quasi jeder Entscheidung besteht eine gewisse Unsicherheit. Manchmal ist diese zugunsten einer schnellen Entscheidung akzeptabel (Nehme ich im Restaurant Gericht A oder B?), in anderen Fällen sollten wir Entscheidungen aber eher mit Bedacht treffen und möglichst viel Sicherheit schaffen (Kaufe ich diese Immobilie? Heirate ich diese Person? Will ich Kinder haben?).

    Wir müssen also jedes Mal aufs Neue entscheiden, wie wichtig uns Geschwindigkeit auf Kosten der Entscheidungssicherheit ist.

    Und besonders hilfreich ist dafür die Frage, ob unsere Entscheidung reversibel ist, oder nicht.

    Sind sie reversibel, profitieren wir von schnellen Entscheidungen. Der Aufwand, weitere Informationen zu beschaffen, lohnt sich nicht (siehe oben).

    Wenn wir ehrlich sind, dann sind viele Entscheidungen, die wir im Content Marketing treffen, reversibel. Ein publizierter Post? Gelöscht. Eine Veränderung auf der Webseite? Wiederhergestellt. Werbekampagne zu teuer? Gestoppt.

    Wir retten hier keine Menschenleben, also lassen wir die Kirche doch einfach mal im Dorf. Ok?

    Sind unsere Entscheidungen hingegen irreversibel, sollten wir uns unbedingt die Zeit nehmen und sie gut abwägen; der Mehraufwand lohnt sich.

    Solche Entscheidungen sind im Arbeitsleben glücklicherweise seltener … Nicht einmal die Frage, ob ich meinen Job kündigen sollte, um selbstständig zu werden, ist wirklich irreversibel. Denn ich kann – um eine wertvolle Erfahrung reicher – einfach wieder in eine Anstellung zurückkehren, wenn ich mich umentscheide.

    Mögliche Szenarien sind bspw. die Entscheidung für neue Tools (lange Laufzeiten, hohe Kosten) oder das Einstellen neuer Kolleg:innen.

  2. The Long Game (vs. The Short Game)

    Bei diesem Prinzip – das auch als „Long-term Thinking“ bezeichnet wird – geht es darum, das große Ganze zu sehen, damit wir das Potenzial kleiner Veränderungen gezielt nutzen können.

    Vergleiche es gern mit der Wirkung von Zinseszinsen: Willst du schnell, aber nur kurzfristige Ergebnisse oder lieber auf nachhaltigen Erfolg hinarbeiten? Wie realistisch ist der schnelle Erfolg überhaupt? Kann ein Blog von heute auf morgen einen positiven ROI erwirtschaften? Kann eine Marke von heute auf morgen entstehen? Kann ein neu geformtes Team ab Tag 1 bei maximaler Effizienz operieren? Wahrscheinlich nicht …

    Wer langfristig Erfolg haben will, sollte auch langfristig denken. Denn: je länger wir „ein Spiel spielen“, desto besser werden wir darin. Das Stichwort lautet „compounding effects“.

    Ich treffe einen Großteil meiner Entscheidungen auf Basis dieses Prinzips – und fast immer zugunsten des Long Games: Gesundes Essen statt Fastfood. Sport statt Fernsehen. Reputation vor Honorar.

    Nicht jeder neue Blogartikel rankt und generiert organischen Traffic, aber er kommt deiner Autorität als Autor:in und Expert:in zugute. Und speziell mit Blick auf Googles E-E-A-T-Faktoren wird dieser Langzeitnutzen immer größer. Ich bin da ganz bei Olaf Kopp, der „Digital Authority Management“ als neue Disziplin vorhersieht.

    Überleg dir also gut, welche langfristige Wertentwicklung eine Entscheidung haben kann und wie sich die vielen, vermeintlich kleinen Entscheidungen in ihrer Wirkung kumulieren können.

  3. Der Münzwurf

    Wann immer ich mich (zwischen zwei Alternativen) entscheiden muss, werfe ich gedanklich eine Münze. Nicht, um mich sinnbildlich für Kopf oder Zahl zu entscheiden, sondern um eine emotionale Reaktion zu triggern: Wie fühle ich mich mit dieser Entscheidung?

    Das ist in vielen Situationen eine bessere Grundlage als jede Rationalität. Probier's einfach mal aus. ;-)
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Fazit: Mit Mental Models schneller bzw. bessere Entscheidungen treffen

Mental Models helfen uns, die Welt um uns herum zu verstehen. Mit ihnen können wir Informationen in echte Learnings und praktische Maßnahmen umwandeln.

Unterm Strich geht es dabei vor allem um Geschwindigkeit, aber auch um die Qualität unserer Entscheidungen und Denkprozesse.

Und auch im Kontext von Content können wir mithilfe dieser Denkmuster effizienter und, wenn ich das aus meiner Erfahrung heraus einfach mal so sagen darf, viel entspannter arbeiten.

Ich bin jedenfalls immer auf der Suche nach neuen Mental Models, um die ich in mein Repertoire ergänzen kann.

Lass mich gerne wissen, welche du nutzt!

Meine Mental Models auf einen Blick

  1. First Principle Thinking
  2. Root Cause
  3. Hicksche Gesetz
  4. Analyse-Paralyse
  5. Satisficing
  6. Occam’s Razor
  7. Pareto-Prinzip
  8. Gesetz des abnehmenden Grenznutzens
  9. Parkinsons Gesetz
  10. Hofstadters Gesetz
  11. Murphys Gesetz
  12. MVP (Minimal Viable Product)
  13. Reversible versus irreversible Entscheidung
  14. The Long Game (vs. The Short Game)
  15. Münzwurf
VG Wort Zähler

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Robert Weller

Robert ist Gründer von toushenne.de, Autor des Bestsellers „Content Design“ sowie Content Stratege bei der Unternehmensberatung konversionsKRAFT. Daneben lehrt er Content-Marketing an der FH JOANNEUM sowie Content Design an der ZHAW. Mit über zehn Jahren Erfahrung aus dem Agenturgeschäft, E-Commerce- & SaaS-Unternehmen sowie zahlreichen Freelance-Projekten mit führenden Marken wie Adobe, Bike24 und contentbird, entwickelt er wirksame Strategien für die Optimierung des Content ROI.

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